Rampenlicht

Als Hörprobe:

Zum Lesen: 

Die Sache mit der Frischhaltefolie

„Ich habe dich singen hören, du hast eine great voice – eine tolle Stimme“, sagte der Ballettlehrer mit seinem spanischen Akzent. „Aber deine Oberschenkel ... Du solltest es versuchen mit Frischhaltefolie und Anticellulitecreme – bei mir hat das geholfen.“

Das saß. Jaaa, Lotta wusste ja, dass sie nicht aussah wie Twiggy. Und sie hatte sicher auch schon in ihrem Leben den ein oder anderen Spruch zu ihrem gebärfreudigen Becken kassiert. Aber ob da mal ein Kind rausploppte oder nicht, interessierte sie gerade nicht die Bohne. Das war der Hauptgrund, warum ihr langjähriger Traumfreund sich von ihr getrennt hatte. Nein, nicht das Becken, sondern dass Lotta erst Karriere machen wollte, bevor sie ans Heiraten und Kinderkriegen dachte. „Lotta“, sagte der Spanier, „du wirst keine Primaballerina mehr, aber vielleicht schaffst du ja was mit deiner Stimme.“ Sie war also ein hoffnungsloser Fall. So fühlte es sich in diesem Moment zumindest an.

Lotta packte ihre Sachen, straffte den Rücken und ging aus dem Ballettsaal. Sie war mittlerweile Gott sei Dank innerlich so gestärkt, dass ihr diese Sprüche nicht mehr so viel ausmachten wie mit 16. Dennoch pikste es natürlich. Nein, es tat sogar weh. Lotta steuerte das Café um die Ecke an, bestellte sich einen Chai Latte und einen Käsekuchen. Jetzt erst recht! Und mit Genuss. Frischhaltefolie ... in die lässt sie sich gleich das Stück Kirschstreuselkuchen einpacken, das sie noch für morgen mitnimmt.

Morgen ... Lotta schluckte. Morgen würde sie auf der Freitagspräsentation den Song aus dem Musical präsentieren, für das sie fast die Hauptrolle bekommen hatte. Sie war aufgeregt. Ja. Nachdem sie dort einmal etwas vorgetanzt hatte und sich die halbe Schule das Maul über ihr enges Outfit und ihren Hintern zerrissen hatte, hatte sie schon etwas Respekt vor den Mitschülern als Publikum. Auf der anderen Seite dachte sie, dass sie, wenn sie dort bestehen würde, überall bestehen könnte.